Nach erfolgter Diagnose ADS / ADHS, stellt sich meist die Frage, wie mit der Erkrankung nun weiter zu verfahren ist. Werden Medikamente benötigt? Ist die ADS / ADHS Erkrankung mit nicht medikamentöser Behandlung, also mit Hilfe von Therapien in den Griff zu bekommen? Der Einsatz von Medikamenten zur Behandlung von ADS / ADHS ist nach wie vor ein sehr umstrittenes Thema. Es gibt ADS / ADHS Betroffene, bei denen man durch eine gezielte Verhaltenstherapie und / oder eine Familientherapie durchaus so weitgehende Fortschritte erzielt, dass eine Medikamentengabe nicht unbedingt nötig erscheint. Es gibt jedoch auch Betroffene, die für die Therapieansätze nicht erreichbar sind, da ihnen ihre Verträumtheit oder aber ihre Unruhe so sehr im Wege stehen, dass sie sich auf die neuen Wege und Ideen schwer bis gar nicht einlassen können. Hier sollte über eine gut abgestimmte Medikation nachgedacht werden. Auch in Fällen, in denen der Druck von Außen (Schule, soziales Umfeld…) sehr groß wird und eine deutliche psychische Belastung des ADS / ADHS Betroffenen besteht, sollte man eine medikamentöse Behandlung in Betracht ziehen. Andersfalls ist hier deutlich die Gefahr von sekundär Erkrankungen , wie zum Beispiel Depressionen, gegeben. Wichtig ist, dass eine Behandlung mit Medikamenten immer an eine psychologische Betreuung gekoppelt ist. Nur so wird ein langfristiger Erfolg in Bezug auf das Verhalten des ADS / ADHS Betroffenen erzielt. Medikamente sind in keinem Fall “ Mittel zum Ruhigstellen”, “Mittel zum lieb sein” oder “ Mittel die schlau machen”. Diese Klischees sind weit verbreitet. Sie spiegeln die Wirkungsweise der Medikamente verzerrt wieder.
Das heißt, dass man bei ADS / ADHS Betroffenen tatsächlich beobachtet, dass sie mit einem Mal ruhiger wirken. Das liegt daran, dass unter Medikation die Möglichkeit für ADS / ADHS Betroffene besteht, zu selektieren. Eindrücke von außen strömen nicht mehr ungefiltert auf den Betroffenen ein, sondern können wie bei nicht Betroffenen auch, nach Wichtigkeit selektiert werden. Das vorbeifahrende Auto verliert regelrecht an Lautstärke und Intensität und die Stimme der Lehrerin tritt in den Vordergrund. Der Betroffene kann sich also auf wichtige Einzelheiten konzentrieren und Nebensächlichkeiten ausblenden. Dadurch wirkt er tatsächlich ruhiger, da er nicht durch ständig einströmende Impulse abgelenkt und verwirrt wird. Dabei ist er jedoch nicht ruhig gestellt. Im Gegenteil. Der Betroffene erlebt sich selbst als wesentlich “wacher” und aufnahmefähiger. Wäre er ruhig gestellt, so wäre das wohl kaum möglich. Für viele ADS / ADHS Betroffene ist es eine überwältigende Erfahrung nach oft jahrelangem Martyrium einer Schulstunde folgen zu können. Nicht selten erleben sie jedoch ein gewisses Erschrecken und eine damit gekoppelte emotionale Abwehr. Dieses ist bei Jugendlichen öfter anzutreffen als bei Kindern. Es wird bewusst wahrgenommen, dass durch die Einnahme des Medikamentes eine positive Veränderung eintritt, die jedoch mit Nachlassen der Dosierung wieder zurück geht.
ADS / ADHS Betroffene erhalten somit die Rückmeldung, dass sie nur dann “normal sind” wenn sie “diese Pille” schlucken. Gerade für Jugendliche in einer ohnehin schon von Umbruch geprägten Zeit, ist das mitunter eine sehr erschreckende Erfahrung. Sie sehen zwar den Nutzen des Medikamentes, haben aber erhebliche Probleme damit, sich fremd bestimmen zu lassen. ADS / ADHS Jugendliche, welche schon als Kinder mit Medikamenten behandelt wurden und eine intensive Betreuung sowohl durch das Elternhaus, als auch von therapeutischer Seite erhalten haben, haben in der Regel seltener Schwierigkeiten mit der Einnahme der Medikamente. Therapeutische Betreuung ist jedoch in jedem Fall unabdingbar. Das Medikament verändert schließlich nicht das Verhalten und das Selbstbild. Das kann nur in einer Therapie geschehen. Die Medikamente erleichtern hierbei schlicht die Aufnahmefähigkeit des ADS / ADHS Kindes / Jugendlichen, so dass positive Veränderungen langfristig erreicht werden können. Das bedeutet jedoch auch, dass eine Therapie nicht von heute auf morgen zu “erledigen” ist. Sie ist ein langjähriger Prozess, in den nicht selten die ganze Familie mit einbezogen wird.
Auch wird beobachtet, dass ADS / ADHS Betroffene mit einem Mal in ihren schulischen Leistungen Verbesserungen erzielen. Das liegt schlicht und einfach an der verbesserten Aufnahmefähigkeit. Der ADS / ADHS Betroffene ist mit den Medikamenten nun endlich in der Lage sein Wissenspotential anzubringen. Nicht selten haben Eltern und Lehrer das Gefühl, dass doch sehr viel mehr in dem Schüler steckt und wundern sich, warum trotz erheblicher Unterstützung, trotz vieler Stunden des Lernens und Wiederholens die Klassenarbeit in einer Katastrophe endet. Medikamente können hier bei ADS / ADHS Betroffenen unterstützend wirken, sind jedoch kein Allheilmittel. Ein leistungsschwacher Grundschüler wird nicht plötzlich zum Gymnasiasten. Auch die Begabungen von ADS / ADHS Kindern und Jugendlichen erstrecken sich über die komplette Bandbreite. Ohne Unterstützung, sei es durch Medikamente und/oder Therapie, wird es ihnen nur in der Regel nicht gelingen ihr volles Potential auszuschöpfen. Nicht selten enden daher völlig normal begabte Kinder auf der Förderschule und sind hier eigentlich intellektuell völlig unterfordert. Die häufig gebrauchte Aussage, dasADS/ADHS Kinder und Jugendliche in der Regel hochbegabt sind, kann so nicht bestätigt werden. Sie resultiert wahrscheinlich daraus, dass man das Leistungspotential dieser Betroffenen meist stark unterschätzt und dann plötzlich mit einigem Erstaunen feststellt, dass doch sehr viel mehr in diesem Kind / Jugendlichen steckt, als man dachte. Das macht den Betroffenen jedoch nicht gleich zum Überflieger.
Auch die Empfindung, das ein betroffenes Kind plötzlich lieb ist, liegt nicht daran, dass die “Pille” das Kind lieb macht. Vielmehr hat das Kind unter Einfluss des Medikamentes nun die Möglichkeit, Erlerntes aus der Therapie auch in die Tat umzusetzen. Das Kind selbst ist viel gelassener und aufgeschlossener, da es sich nicht ständig neuen Reizen ausgesetzt sieht, auf die es reagieren muss. Es ist nicht mehr so sprunghaft in seiner Wahrnehmung und damit einfach ruhiger und entspannter. Da es sich nicht ständig auf wechselnde Reize einstellen muss, geht nicht mehr so viel Energie verloren. Das ADS / ADHS Kind empfindet sich selbst als angepasster, erfährt dadurch meist weniger Ablehnung und reagiert somit weniger aggressiv. Das heißt nicht, dass alle sozialen Probleme mit der Einnahme des Medikamentes verflogen sind. Vielmehr muss berücksichtigt werden, wie lange das hier meist ADHS betroffene Kind sich schon in einer isolierten und abgelehnten Position befindet. Es kann lange dauern und zuweilen unmöglich sein, positive Veränderungen beim Betroffenen für das soziale Umfeld so bemerkbar zu machen, dass eine Wendung zum Positiven und zur Integration möglich ist. In Fällen, in denen der Betroffene erhebliche soziale Fortschritte gemacht hat, diese aber auf Dauer vom Umfeld ( z.B. Mitschüler, Lehrer, Nachbarschaft…) ignoriert werden, kann ein Wechsel des Umfeldes, dass heißt der Schule eventuell sogar des Wohnortes notwendig sein. Der ADS / ADHS Betroffene hat in jahrelanger Arbeit sein Verhalten angepasst und verändert und erfährt ständige Ablehnung und Ausgrenzung wegen einem Verhalten, dass vielleicht viele Jahre zurück liegt. Um dem Betroffenen zu helfen und ihm nicht das Gefühl zu geben, deine Arbeit war umsonst, mach weiter wie früher, streng dich nicht mehr an, es bringt dir ohnehin nichts, sollte man in Erwägung ziehen, ob ein sozialer Neuanfang in einem neuen sozialen Umfeld nicht für alle Beteiligten eine Lösung wäre.